Die hier aufgeführten Aussagen sollen
denjenigen, die erstmalig mit AVWS konfrontiert werden, den Einstieg in die
persönliche Auseinandersetzung erleichtern.
Die Auditive Verarbeitungs und Wahrnehmungs-Störung (AVWS) hat verschiedene Ausprägungen,
die mehr oder weniger stark auftreten.
Mehrere der folgenden
(oder auch andere, mir nicht bekannte) Kriterien müssen zutreffen:
- Eingeschränktes Erkennen von unterschiedlichen Lauten
- Die Auditive Merkspanne
ist verringert (Das Kurzzeitgedächtnis für Gehörtes ist schwach)
- Das Nachsprechen unbekannter
Silbenfolgen fällt sehr schwer
- Die Trennung von Nutz-
und Störschall ist nur bei geringem Störschall möglich. Mit anderen Worten:
- in einer lauten Umgebung - wie z. B. einer Klasse mit vielen Kindern - ist das Heraushören des gesprochenen Worts aus
dem Umgebungslärm nicht möglich.
- In Räumen mit viel Hall - wie z. B. einer Turn- oder einer Schwimmhalle -
ist das Verstehen des gesprochenen Worts kaum möglich.
- Schwierigkeiten des
Erkennens, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt.
Aber Achtung: Das Ohr muss fehlerfrei arbeiten (Mit anderen Worten: Eine periphere Hörstörung muss ausgeschlossen sein.)
Ist das nicht der Fall, handelt es sich um Schwerhörigkeit anstelle von AVWS
- Verzögerte oder unvollständige Sprachentwicklung (z. B. Weglassen von Anfangs- oder Endsilben, vertauschen von Buchstaben)
- Schlechtes Zahlenfolgegedächtnis und Zahlenverständnis
- Schlechtes Silbengedächtnis
- Probleme beim Auswendig lernen
- Mündlich gestellte Aufgaben werden nicht richtig verstanden.
- Schwierigkeiten mit Diktaten
- Legasthenie als "Folge-Erscheinung"
- Schwierigkeiten beim Erwerb von Fremdsprachen
- Nicht den Fähigkeiten entsprechendes Bildungsniveau
- Unwohlsein in lauter Umgebung
- Unkonzentriertes Verhalten in größeren Gruppen und halligen Hallen
- Die Kinder hören
anders. Spezielle Geräusche (Frequenzen) sind ihnen besonders unangenehm. Was
sogar dazu führen kann, dass sie von bestimmten Tellern wegen der
Kratzgeräusche nicht essen oder sich bei lauten Geräuschen verkriechen - z. B.
unter der Schulbank. Andere Geräusche werden teilweise aber auch als besonders
schön empfunden und die Kinder möchten sich vielleicht aus diesem Grund mit
akustischen Signalen auseinandersetzen.
- Einschränkung der
Aufmerksamkeits/Konzentrationsspanne (z. B. durch die notwendige starke
Konzentration auf das Heraushören des gesprochenen Worts im Unterricht, was
ggf. sogar zusammen mit den unten genannten Faktoren zum Einschlafen gegen Ende
der Schulzeit führen kann.
- Verminderte Motivation
am Unterricht (Desinteresse), da die Aussagen des Lehrers nicht verstanden
werden.
- Unruhe und störendes
Verhalten (als Folge der oben aufgeführten Begleiterscheinungen)
- Emotional ungünstige
Entwicklung (da von gesprochener Informationsübertragung mehr oder weniger
ausgeschlossen) und Versagensängste (da Anforderungen nicht erkannt werden)
- Lautes Sprechen, da die Kinder ebenfalls nur laut gesprochene Worte in einer Umgebung mit Störgeräuschen verstehen
- Kindergarten-Erzieher
und Lehrer können in der Regel nur feststellen, dass bezüglich Aussprache oder
im Verhalten des Kindes etwas nicht stimmt.
- Logopäden und
Ergotherapeuten können Hinweise anhand von Tests geben (z. B. können sie
feststellen, ob das Kind die altersgemäße Anzahl an Lauten unterscheiden kann).
Hierzu muss man das Glück haben, dass Logopäden oder Ergotherapeuten AVWS
kennen, was nicht vorausgesetzt werden kann.
- Kinder- Jugend- oder
Schulpsychologen (-psychiater) können keine AVWS diagnostizieren. Bei
Verhaltens-Auffälligkeiten sollten sie aber durch das Hinzuziehen von Diagnosen
durch Pädaudiologen (HNO-Ärzte mit Zusatzausbildung) AVWS als Ursache erkennen oder ausschließen lassen.
- Pädausiologen (HNO-Ärzte mit Zusatzausbildung) können AVWS diagnostizieren.
Niedergelassene Pädaudiologen haben aber normalerweise weder die Zeit noch die Mittel, die schwere
der AVWS im Detail zu erfassen.
- Pädaudiologen an Kliniken für Phoniatrie
und Pädaudiologie (z. B. an Universitätskliniken) können die Schwere von AVWS
diagnostizieren
- Ab dem Vorschulalter
- Ausführliche Diagnosen können nur ab der 2. Hälfte des ersten Schuljahres bis Ende Grundschulalter
(maximal bis 12 Jahre) gestellt werden
- Um die bestmögliche Unterstützung des Kindes in der Schule (auch in der weiterführenden Schule) zu erreichen,
müssen in diesem Zeitfenster ausführliche Diagnosen (einschließlich des Hörens im Störschall) durchgeführt
und die Anträge auf Nachteilsausgleich für den Bereich "Hören" (nicht "Lernen") in der Regelschule gestellt werden.
Den Nachteilsausgleich erstellt die Regelschule in der Regel zusammen mit Sonderpädagogen von Förderschulen für Hörgeschädigte
- Krankenkassen bezahlen technische Hilfsmittel (FM-Anlagen) für AVWS-Kinder mit Problemen im Störschall häufig nur,
wenn eine entsprechende Verordnung durch einen Pädaudiologen erstmals in Grundschulalter ausgestellt wurde
Folgende Störungen haben zwar teilweise ähnliche
Symptome, sind aber von der AVWS abzugrenzen
- Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen(ADHS)
- Sprachverständnisstörungen
- Nah beim Lehrer sitzen
- Der Lehrer sollte immer
so stehen, dass das Kind auch seinen Mund sehen kann
- Keine unruhigen Kinder in der "Nachbarschaft"
- Wenig Störgeräusche
- Geringe Klassenstärke
- Akustisch gut gestalteter Klassenraum
An Regelschulen werden Klassenräume für AVWS-Kinder häufig nachgerüstet, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt
- Eventuell Einsatz einer
Lautstärkeampel, die auf Grün steht, wenn die Geräusche in der Klasse gering
sind, aber auf Gelb und dann auf Rot wechselt, wenn der Lärmpegel ansteigt.
- Vereinbarung eines
Zeichens, wenn das Kind den Lehrer nicht versteht
Empfehlung des hessischen Kultusministeriums
Die 2019 vom hessischen Kultusministeriums herausgegebenen Empfehlungen für den Unterricht und die Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigung
enthalten auch Angaben und Empfehlungen zu AVWS.
Ratgeber für Lehrer*innen und Eltern Hörgeschädigter Kinder
Der Ratgeber behandelt das Thema "Hörgeschädigte Kinder an allgemeinen Schulen" Er wendet sich an Lehrer*innen, Eltern und Interessierte
und wird herausgegeben von der Elternvereinigung hörgeschädigter Kinder in Hessen e.V.
Die erste Ausgabe vom November 2019 erwähnt AVWS mehrmals,
verdeutlicht aber nicht, welche der angesprochenen Maß in welchen Fällen von AVWS gelten.
Deshalb wird hier eine ergänzende Fassung des Kaptitels 3 in Form von 2 Tabellen angeboten, die die Unterschiede verdeutlicht zwischen
- Beidseitig hörgeschädigten Kindern
- Einseitig hörgeschädigten Kindern
- Kinder mit AVWS
Eine aus schulmedizinischer Sicht vielversprechende
Therapie gibt es nicht. Mit dem Älter werden erlernen die Kinder, ihre Schwäche
zu kompensieren (z. B. neben dem gesprochenen Wort im Unterricht die
geschriebenen Worte auf der Tafel zum Informationserwerb zu nutzen).
Das Kümmern des Arztes/Therapeuten um den Patienten trägt wesentlich (bis ca. 50 Prozent) zur Gesundung bei.
Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass die Eltern sich sehr für AVWS-Kinder engagieren
oder Schulen bzw. Therapieeinrichtungen finden, die sich um das Kind kümmern und ihm Geborgenheit vermitteln.
(Leider müssen die Eltern den Erfolg für das Kind an ausgewählten Schulen mit alternativen Lernmethoden nach einiger Zeit selbst überprüfen, da es Fälle gibt, in denen alternative Lernmethoden für AVWS-Kinder ungeeignet waren.)
Als Therapien bzw. unterstützende Maßnahme haben wir erwogen bzw. genutzt:
- Ergotherapie, wenn der Therapeut sich u. a. mit den durch die
AVWS bedingten Schwächen auseinandersetzt (Wir haben allerdings in Absprache
mit der Ergotherapeutin die Therapie nach einem Jahr wegen nicht erkennbarer
Erfolge beendet, obwohl die Therapeutin im Gegensatz zu einer vorher
konsultierten HNO-Ärztin uns erstmalig auf eine mögliche AVWS unseres Kindes
aufmerksam machte und nach unserem Verständnis die Therapie in die richtige
Richtung vorantrieb.
- Logopädie
- Gute Logopäden können
recht gut die Sprachdefizite, die aus den Hördefiziten entstehen, kompensieren.
- Nur wenige Logopäden
sind in der Lage, therapeutische Maßnahmen zur Verringerung der Hördefizite zu
ergreifen. (Wir machten die Erfahrung, dass sogar in Praxen, die behauptet
hatten, AVWS behandeln zu können, während des Beobachtens der Therapiemaßnahmen (durch
Schule und Elternhaus) der Verdacht entstand, dass das Wesen von AVWS durch den
Therapeuten nicht verstanden wurde. Beim Auswählen der Logopädie-Praxis sollte
man daher Empfehlungen (z. B. durch HNO-Ärzte) unbedingt folge leisten, auch
wenn dadurch Wartezeiten unumgänglich werden.
- Logopäden setzen teilweise Hörtrainings ein - unter anderem auch das Hörtraining nach Audiva,
dass dann in den Anfangsmonate parallel täglich zu Hause genutzt werden kann
(siehe auch unter Hörtraining)
- Sensorisches Integrationstraining (nach Anna Jean Ayres) ist eine weiter Therapieform,
die ergänzend in der Logopädie zur Behandlung von AVWS-Kindern Anwendung findet.
- Der Einsatz von Motopädagogik
in der Schule kann durch die Wirkung von Bewegungen auf die Gehirnfunktion von
Vorteil sein. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass z. B. der Hall in
den Übungsräumen nicht verhindert, dass das Kind den Anweisungen des
Motopädogogen folgen kann.
- Der Einsatz von Sprachheilpädagogen
in der Schule kann nur dann von Vorteil sein, wenn diese wissen, dass das Kind AVWS hat und sich mit
dem Wesen von AVWS auseinandersetzen.
- Der Einsatz von
Mikroport-Anlagen / FM-Anlagen (Ansteck-Mikronfon mit Sender beim Lehrer, Empfänger mit
Kopfhörer am Ohr des Schülers, siehe z. B. https://www.phonak.com/de-de/hoerloesungen/mikrofone/roger-focus-ii) wie sie bei
Akustiker-Geschäfte zu beziehen sind, hatte bei unserem Kind großen Erfolg durch
das Hervorheben der Stimme des Lehrers aus den Störgeräuschen in der Klasse. Dadurch wurde
es erst möglich, dass unser Kind dem Unterricht in der Grundschule folgen
konnte. Ein solches Gerät gehört nur dann zum Leistungskatalog
der Krankenkassen, wenn ein sinnvoller Einsatz durch einen Test des 'Hörens im Störschall'
von einem Pädaudiologen nachgewiesen wurde. Daher unbedingt diese Tests veranlassen, die
leider nur während der Grundschulzeit möglich sind.
- Gehörbehinderten-Schulen / Hörgeschädigtenschulen sind die Förderschulen für AVWS-Kinder.
Es ist bei großem Entfernungsabstand zu diesen Schulen
abzuwägen, ob schon kleine Schüler frühzeitig auf diese Schulen wechseln sollen
oder (wegen der häufig langen Fahrzeiten) Regel-Grundschulen zu bevorzugen sind. Ist das Kind in der Lage, dem Unterricht
der Grundschule zu folgen, vertreten Grundschulen und Ärzte die Meinung, dass
unter Umständen das Kind auf der Grundschule besser aufgehoben ist.
Damit das Kind dem Unterricht folgen kann, sind teilweise besondere
Anstrengungen der Grundschulen notwendig, die viele Grundschulen nicht
immer aufbringen. (Bei unserem Kind hat die Klassenlehrerin
sofort der [testweisen] Verwendung der von der Akustikerin leihweise zur
Verfügung gestellten Mikroport-Anlage zugestimmt, sich mit AVWS
auseinandergesetzt und mit der engagierten Sprachheilpädagogin der Grundschule
ein Gesamtkonzept erarbeitet und durch die Schulkonferenz absegnen lassen.)
- Eventuell von Eltern durchführbare Trainings:
- Vorschulalter bis 1. Schuljahr: Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung
auf den Schriftspracherwerb: Sprachspiele für Vorschulkinder. Buch "Hören, lauschen, lernen"
mit Anleitung und Arbeitsmaterial von Petra Küspert & Wolfgang Schneider.
- Ab 2. Schuljahr: Das Marburger Rechtschreibtraining:
Ein regelgeleitetes Förderprogramm für rechtschreibschwache Kinder von Gerd Schulte-Körne.
Es bietet eine alternative Lernmethode für Rechtschreibung an, die Eltern selbständig mit ihren
Kindern durchführen können. Diese Lernmethode ist häufig für AVWS-Kinder besser geeignet als die Methoden
in der Grundschule. Wir haben aber auf diese zusätzlichen Lerneinheiten verzichtet, da unser Kind schon
genug Zeit mit Schulstoff und Therapien verbringen musste.
- Hörtraining
- Hörtraining nach Tomatis
ist schulmedizinisch nicht anerkannt. Das Verfahren wird von speziellen
Therapeuten angewendet, die das Kind häufig sehen wollen und den Therapieerfolg
selbst einschätzen. Es gibt Eltern unserer Selbsthilfegruppe, die diese Therapie gerne weiterempfehlen
- Hörtraining nach Warnke mit dem Brain-Boy, der sich von der Fa. Meditech
((https://www.meditech.de)
beziehen lässt. Auf der Homepage gibt es speziell Informationen für Eltern
und eine Übersicht über Therapeuten, die diese Methode anwenden.
Die Trainierbarkeit von auditiven Funktionen mit sprachfreiem Training konnte
anhand dieses Geräts nachgewiesen werden.
- Hörtraining nach Audiva
(https://www.audiva.ch/index.html). Man kann leihweise
ein Hörtrainingsgerät von Audiva beziehen oder kaufen (oder das geliehene Gerät
übernehmen). Die Therapie muss dann täglich für jeweils 30 Minuten (ggf. 3 mal
10 Minuten) durchgeführt werden. Die Therapie besteht darin, klassische Musik
zwischen linken und rechtem Ohr wandern zu lassen. Einige Logopäden begleiten
eine solche Therapie, was das Vertrauens für die Entscheidung zu
diesem Verfahren erhöhen kann. Ein Therapie-Erfolg ist wissenschaftlich nicht
nachgewiesen, wird aber auch nicht vollständig ausgeschlossen. Da das Training
ein unübliches Klangerlebnis beschert, ist eine Anregung zu neuen
Verschaltungen in den Gehirnregionen der Gehörverarbeitung zu erwarten. Uns
wurde die Therapie durch einen Grundschulrektor empfohlen, der Therapieerfolge
bei einem anderen Schüler beobachten konnte. Wir glauben ebenfalls, dass die
Therapie unserm Kind geholfen hat.
- Lesen lernen schafft die Voraussetzung, das Defizit zu
kompensieren beim Aneignen von in Worte gepackter Information. Lesen können
erlaubt auch das Nutzen zusätzlicher Quellen, um sich ein Bild von Worten zu
machen, die akustisch nicht korrekt wahrgenommen werden. Lesen lernen fällt den
Kindern zwar recht schwer. Aber das tägliche ca. 5 Minuten lange Lesen üben
hilft auf Dauer enorm. Anfangs haben wir als Motivationshilfe eine Eieruhr
verwendet. Da später die Grundschullehrerin Protokolle über das häusliche Lesen
haben wollte und es ein Lob in Form von Halbedelstein-Bruchstücken gab, wenn 10
Lesesitzungen zusammengekommen waren, war dann eine weiter Motivation
vorhanden. Bei unserem Kind wurde das lesen Üben allerdings anfangs nicht
akzeptiert mit kindgerechter oder von der Schule vorbereiteten Lesestoffen. Es
musste ein Buch für 10-Jährige sein, dass das Kind sich auf einem Flohmarkt
gekauft hatte und durch dessen schwierige und langen Wörter es sich mit unserer
Hilfe durchkämpfen wollte - auch wenn es anfangs keine Chance hatte, den Sinn
der Sätze zu erfassen.
- Allgemeine Maßnahmen
Bei den hier aufgeführten Möglichkeiten handelt es sich um allgemeine Maßnahmen,
die keine spezielle Therapie für AVWS darstellen,
aber generell positiv auf neue Verschaltungen im Gehirn einwirken können.
- Sport unterstützt die Erneuerung von Gehirnzellen und kann
daher vielleicht positive Effekte haben - auch bezüglich sozialer Anerkennung.
In Hallen mit viel Hall fühlen sich AVWS-Kinder aber ggf. nicht wohl und können
ggf. dem Trainer nicht folgen. Mannschaftssport ist leider häufig auch problematisch,
da die Kinder die Zurufe innerhalb der Mannschaft häufig akustisch nicht verstehen
Wenn Sportarten das Verschalten von Links- und Rechtshirn fördern, ist das besonders für AVWS hilfreich
Zu diesen Sportarten zählen z. B. Jazztanz und Fechten
- Musik schafft neue Klangerlebnisse und wird daher auch zu
neuen Verschaltungen im Gehirn führen. Die AVWS-Kinder mögen auch ggf.
bestimmte Töne besonders gut leiden. Da die AVWS-Kinder anders hören, aber auf
jeden Fall hören, kann man eine musikalische Erziehung in Erwägung ziehen. Da
es Musikschulen gibt, die eine Musik-Elite heranbilden wollen und daher keinen
Musikunterricht aus Therapiegründen anbieten wollen, sollte versucht werden
herauszufinden, ob es nicht von Nachteile ist, vor- oder während des Anmeldens
auf die besondere Motivation hinzuweisen. (Mit anderen Worten: es besteht der
dringende Verdacht, dass Anmeldungen nicht zustande kamen, weil entsprechende
Hinweise von den Eltern gegeben wurden. Dabei hören AVWS-Kinder nur anders,
womit noch nicht gesagt ist, ob sie besser oder schlechter bestimmte
Instrumente erlernen können)
Ganz wichtig ist das Herausbildens des Taktgefühls, was sich nur durch Musik und hier besonders durch
Trommel- und Schlagzeug-Unterricht heranbilden lässt.
Versuchen Sie auf jeden Fall, das Bilden von Taktgefühl zu unterstützen
Der Resonanzkörper der Geige liegt direkt am Körper an und der Schall wird dabei direkt auf den Körper übertragen.
Das kann positive Effeke bei AVWS haben, wenn das Kind dieses Instrument lieben lernt.
- Das großformatige Malen einer "liegende Acht" (Lemniskate), wird u. a. dazu genutzt,
um die Verschaltung der beiden
Gehirnhälften zu fördern. Hierzu werden möglichst auf großem Papier oder auf
einer Tafel "liegende Achten" sehr häufig übereinander (nach-)gemalt - in
verschiedenen Farben, mit der linken, der rechten Hand oder beiden Händen. Je
symmetrischer die Acht wird, desto besser sind beide Gehirnhälften
aufeinander abgestimmt.
- Spielen im Sand, im Matsch oder im Wald und ähnliches, bei dem mit
den Händen geformt, gegriffen und betastet wird:
Gehirn-Verschaltungen und das
Nutzen der Hände sind nicht ganz unabhängig voneinander, wie schon die Worte
greifen und begreifen erahnen lassen. So beeinflusst diese Art des Spielens
häufig auch das mathematische Begreifen positiv.
- Gleichgewichtsübungen: Gleichgewichtsübungen dienen ebenfalls der Verschaltung
der beiden Gehirnhälften. Eine Wackelscheibe (Balance Board) kann hierfür hervorragend eingesetzt werden
Während das Kind auf der Wackelscheibe steht, soll es anfangs zweisilbige Worte, dann dreisilbige, später
viersilbige Worte u.s.w. wiederholen, die der Erwachsene vorgibt,
wobei bei jeder Silbe ein Jongliertuch, ein Jonglierball oder ähnliches zum Kind oder
vom Kind zum Partner geworfen wird. Da spielen auch Geschwisterkinder oder Freunde gerne mit.
- Computergestützte Programme: Es gibt einige sinnvolle Computer-Programme. Da sie
die Kinder immer wieder an ihre Grenzen führen, sinkt nach einer Anlaufphase
aber ggf. die Motivation des Kindes, was dem Trainingseffekt nicht förderlich
ist. Leider haben wir selten festgestellt, dass die Lernerfolge sich auch auf Situationen außerhalb der computergestützten Programme beobachten ließen.
- Kartenspiele: Gibt es AVWS-bedingte Probleme beim Rechnen lernen,
können folgende Kartenspiele eventuell zum Rechnen üben genutzt werden:
- "Lern-Detektive: Rechnen bis 20" von Thomas Grandy
- "Lern-Detektive: Das kleine Einmaleins" von Thomas Grandy
- Fernsehen
fördert nicht die Verschaltungen im Gehirn und ist daher auf jeden Fall
einzuschränken. Für AVWS-Kind sind einige Sendungen allerdings eine gute
Informationsquelle, da der Schall des Fernsehers aus konstanter Richtung ohne
Störgeräusche ans Ohr dringt. Zusätzlich zum Gehörten gibt es immer bildliche
Information, die das Gehörte unterstützen. Wenn für das Kind interessante
Informationen kommen und es diese gut wiedergeben kann, sollte man diese Informationsquelle für das Kind nutzen.
Leider gibt es bisher noch keine genormten Tests, die allgemein anerkannt das Vorhandensein und die Schwere von AVWS
sowie die Zuordnung zu Therapieformen als Ergebnis haben.
Ergotherapeuten und Logopäden können daher nur Hinweise geben, ggf. AVWS diagnostizieren oder ausschließen zu lassen.
Niedergelassene HNO-Ärzte können AVWS häufig nicht diagnostizieren, da ihnen die Päaudiologische Zusatzausbildung in der Regel fehlt.
Niedergelassene Pädaudiologen können AVWS diagnostizieren, aber selten die genaue Ausprägung von AVWS ermitteln
- und haben somit Schwierigkeiten, therapeutische und schulische Maßnahmen
für den Einzelfall festlegen zu können. Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie sind für die Diagnose
besser gerüstet, weisen oft aber lange Wartezeiten auf und kennen sich mit dem lokalen Umfeld des Betroffenen nicht
immer aus. Daher ist eine zweistufige Vorgehensweise sinnvoll:
erst zum HNO-Arzt mit pädaudiologischer Zusatzausbildung - also zum Niedergelassenen Pädaudiologen - und
bei Bestätigung des Verdachts zusätzlich zu einer Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie.
Intelligenztests werden dafür herangezogen festzustellen, ob ein Kind dem Alter entsprechend gebildet ist.
Daraus soll dann geschlossen werden können, ob eher gezielte ärztliche oder schulische Maßnahmen - und wenn ja,
welche - angebracht sind. Intelligenztests berücksichtigen aber häufig nicht die speziellen Umstände
von AVWS-Kindern. Das betrifft einerseits die häufig akustische Übermittlung der Fragestellung.
(AVWS-Kinder müssen sich viel mehr um das Erfassen der Fragestellung bemühen als andere Kinder und
ermüden daher früher. Daher sollen nur None-Verbale Intelligenz-Tests bei AVWS-Kindern angewendet werden).
Andererseits wird die Entwicklung wahrscheinlich etwas verzögert sein, wenn ein Kind dem Unterricht
aus akustischen Gründen über Monate nicht folgen konnte - auch bei "normaler" Intelligenz.
Als Beispiel für die Problematik des Auswertens von Intelligenz-Tests seien die Testergebnisse eines
Kindes im Bereich "Mathematische Kompetenz" durch den "Osnabrücker Test zur Zahlenentwicklung (OTZ)" und
die Testergebnisse im Untertest "Rechnen" der "Kaufmann-Assesment-Battery for Children(K-ABC)" des
gleichen Kindes in der gleichen Woche erwähnt. Während der erste Test eine überdurchschnittliche
"Mathematische Kompetenz" ergab, ergab der zweite Test eine unterdurchschnittliche Leistung im "Rechnen".
Die neue Wetzlarer Zeitung
druckte am 10.1.2008 den Artikel "Wenn Schule krank macht" von Michaela
Buschewski, dpa, ab, in dem der Einsatz von Schulpsychologen bei Grundschülern
beschrieben wird.
-
... "Der inzwischen 13 Jahre alte Paul fiel seinen
Lehrern schon in der ersten Klasse auf." ... " 'Probleme liegen ausschließlich
in der Schule' betonte die Mutter. Außerhalb des Unterrichts verhalte sich Paul
normal, im Unterricht hingegen ziehe er sich zurück, sei unkonzentriert oder
kaspere herum. 'Er kann auch explodieren, dann schreit und tritt er um sich',
beschreibt sie. Irgendwann habe Paul ganz zugemacht, war deprimiert und
verweigerte völlig die Schule." ... "Paul macht derzeit eine Therapie, um seine
Lese- und Rechtschreibeschwäche zu verbessern, wird aber nicht mehr
psychologisch betreut. Die Eltern versuchen, ihm Erfolgserlebnisse außerhalb der
Schule zu ermöglichen" ...
Ähnliche schulische Lebensläufe können auch bei AVWS-Kindern entstehen.
Ohne das Einbeziehen von
Pädaudiologen bzw. HNO-Ärzten mit pädaudilogischer Zusatzausbildung ist es also
kaum möglich, allein aufgrund von Symptomen festzustellen, ob es sich um rein
psychogische Probleme handelt oder ob die Ursache in AVWS zu suchen ist und
somit andere therapeutische Wege beschritten werden müssen.
Hier soll Platz sein für das Schildern verschiedener "Lebensläufe" von AVWS-Kindern und deren schulischem und therapeutischen Weg.
Vielleicht können Sie ja ein Beispiel bereitstellen. Bitte nehmen Sie hierfür per eMail Kontakt auf zu V.Jaekel@t-online.de
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